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Gedanken zum Evangelium - Christkönigssonntag

Immer Ärger mit den Königen

Die erste Lesung erzählt von einer Vision des Propheten Daniel: Gott übergibt einem neuen, guten König die Herrschaft; sein Reich besteht ewig. Dass Daniel und Menschen aller Generationen von so etwas träumen, ist kein Wunder.

Evangelium

In jener Zeit fragte Pilatus Jesus: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus oder haben es dir andere über mich gesagt?

Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohepriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.

Da sagte Pilatus zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.

Johannesevangelium 18,33b–37d

Der Prophet Daniel ist einer der unbekannteren. Nur sehr selten werden Auszüge aus seinem Buch im Sonntagsgottesdienst gelesen.

Das liegt auch daran, dass das Buch Daniel eigentlich eine eigene Bibliothek ist. Es wurde in verschiedenen Sprachen (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch) zu verschiedenen Zeiten geschrieben, ist mal ein Text über Daniel (Kapitel 1–6 und 13–14), mal in Ich-Form verfasst (Kapitel 7–12). Mal ist Daniel ein Weiser, der fremde Träume zu deuten vermag, mal hat er selbst Visionen – und versteht sie nicht.

Erklären kann man diese Widersprüche, wenn man den historischen Kontext betrachtet – das, was politisch los war, als die einzelnen Teile des Daniel-Buches verfasst wurden. Dann hat nämlich alles einen gemeinsamen Nenner. Und der hat viel zu tun mit dem Verhalten der jeweils regierenden Könige.

Da ist zum Beispiel der babylonische König Nebukadnezar, der in den ersten beiden Kapiteln des Buches Daniel eine wichtige Rolle spielt. Er eroberte 599 v. Chr. Jerusalem, stand aber trotzdem in Gottes Gunst. Denn eigentlich waren die militärische Niederlage und die babylonische Verschleppung eine Strafe Gottes für die Sünden des jüdischen Volkes und seines Königs Jojakim. Nebukadnezar plante, junge Männer „von königlichem Stamm und von edler Herkunft“ zuerst in den Sitten seines Volkes zu erziehen und dann in Dienst zu nehmen. Daniel war einer von ihnen. Und einer von denen, die zwar mitarbeiten wollten, sich religiös unreinen Speisen aber verweigerten. Nebukadnezar und Gott erkannten das an: Der König respektierte die fremden Sitten und Gott verlieh Daniel Weisheit und die Fähigkeit, Träume zu deuten. Was ihm wiederum hohe Anerkennung bei Nebukadnezar einbrachte.

Die goldenen Zeiten enden

Das ist das erste Motiv des Daniel-Buches: Ein guter König lebt in Frieden mit dem Volk Gottes und alle profitieren davon.

Das galt selbst dann, als Berater des Königs einen Keil zwischen die Babylonier und die Juden treiben wollten. Auch die Juden sollten den König anbeten, fanden sie und ließen drei junge Männer, die das ablehnten, in einen glühenden Feuerofen werfen (Daniel 3). Doch das Wunder geschah: Sie verbrannten nicht. König Nebukadnezar erkannte dahinter den Gott der Juden. Und später durfte – unter dem ebenfalls guten König Kyrus – das Volk Israel sogar nach Hause zurückkehren.

Allerdings dauern die goldenen Zeiten unter einem gerechten König nicht ewig. Und das spiegelt sich im Buch Daniel ab Kapitel 7, aus dem auch die Lesung dieses Sonntags stammt.

Dieser Teil des Buches ist viel später entstanden. Die Babylonier waren inzwischen von den Seleukiden abgelöst worden. Im Jahr 175 v. Chr. bestieg deren König Antiochus IV. Epiphanes den Thron und gab den Befehl, Jerusalem und das Volk der Juden zu hellenisieren, also der griechischen Kultur anzupassen. Als das nur teilweise klappte, nahm Antiochus Jerusalem ein und plünderte die Stadt. Er entweihte den Tempel und erließ Dekrete, die bei Androhung der Todesstrafe die freie Religionsausübung für Juden unmöglich machten.

Der Widerstand organisierte sich. Die einen griffen zu den Waffen und begannen 167 v. Chr. unter Führung des Judas Makkabäus einen jahrelangen blutigen Guerilla-krieg gegen die Besatzer. Die biblischen Makkabäerbücher erzählen davon.

Andere schrieben gegen das Unrecht an. Zum Beispiel erweiterten sie das Buch Daniel um seine apokalyptischen Teile. Aus dem Vorzeigejuden Daniel, der – wie einstmals der Stammvater Josef am Hof des Pharaos in Ägypten – Karriere gemacht hatte, ohne seine Religion zu verleugnen, wird Daniel, der Visionär der Apokalypse.

Gott wird eingreifen – so ist der feste Glaube in dieser Zeit. Er wird böse Könige wie den Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes zerschmettern und einen guten König einsetzen, so wie es Daniel in seiner Vision, der heutigen Lesung, sieht: „Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter.“

So fest ist der Glaube daran, dass sogar Termine genannt werden, wann es so weit ist. In einer anderen Vision heißt es: „Ich hörte einen Heiligen reden: Wie lange gilt dies Gesicht vom täglichen Opfer, vom verwüstenden Frevel und dass Heiligtum und Heer ausgeliefert und zertreten werden? Und er antwortete mir: Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen vergangen sind; dann wird das Heiligtum wieder sein Recht erhalten.“ (Daniel 8,13–14)

Allerdings hat die Geschichte gezeigt: Es kam anders. Zwar ging das Reich der Seleukiden tatsächlich unter, aber was kam, war kein von Gott eingesetzter König. Was kam, waren die Römer, die ab 64 v. Chr. die Gegend für sich beanspruchten.

Auch die Christen warten

Und mit dem römischen Kaiser und seinen Vasallenkönigen gab es ebenfalls Ärger, wie das Neue Testament immer wieder erzählt. Zwar ließ Rom den Tempelkult in Jerusalem zu. Aber das Volk war weiterhin unterdrückt und römischer Willkür und Gewalt ausgesetzt. Auch in religiöser Hinsicht.

Das galt später auch für die Kirche. Nicht nur Jesus wurde von König Herodes verfolgt und von Pontius Pilatus zum Tod verurteilt. Auch die Christen saßen in römischen Gefängnissen oder starben in römischen Arenen. Kein Wunder also, dass der Traum von einem Reich, das Jesus selbst als gerechter König regiert, auch in dieser Zeit lebendig war. Dass die ersten Christen auf die baldige Wiederkehr des Herrn warteten – auch wenn „bald“ nicht so konkret beziffert wurde wie im Buch Daniel.

Allerdings hat die Geschichte wiederum gezeigt: Es kam anders. Jesus erschien nicht auf den Wolken mit seinem Heer, regiert nicht als neuer König. Stattdessen knechten noch immer ungerechte Herrscher die Völker der Erde, überziehen sie mit Krieg und nehmen das Sterben der Menschen billigend in Kauf. Es ist wohl leider so: Gott greift nicht ein. Für gute Regierungen müssen wir selber sorgen.

Susanne Haverkamp